Dengue ist heute in aller Munde, wer sich unwohl fühlt, Fieber hat und noch
sonstige Körperschmerzen, der diagnostiziert an sich selbst recht schnell
Dengue. Er gerät dann rasch in eine gewisse Panikstimmung und sucht entweder
den Arzt auf oder lässt sich von Freunden und Familienangehörigen beraten. Jeder
hat schon von solchen Fällen gehört, hat die schlimmsten Berichte im Fernsehen
verfolgt und rät zu allen möglichen Arzneimitteln, von Aspirin über Paracetamol
bis zu Antibiotika. Dann kamen auch die Geschichten von der Dengue Hemorágico
auf, die die Patienten regelrecht innerlich verbluten lässt. Das ist dann
weniger schön.
Doch wie bei so vielen Vorfällen, man gewöhnt sich daran, vor allem wenn nicht
gerade jemanden im engsten Freundes oder
Familienkreis betroffen ist. Wenn ich im Internet forsche, dann finde ich, dass
der Dengue-Virus bereits 1779 entdeckt wurde. Aber da war er noch weit weg, im
tropischen Südostasien, später soll er dann in Uganda in Afrika aufgetaucht
sein und irgendwann den Weg über den Südatlantik gefunden haben. Dramatisch
wurde es dann 2008 in Rio de Janeiro, die Gesundheitsbehörde zählte 250.000
Fälle, davon 174 tödliche. Dies war dann auch ein Thema für die
Fernsehgesellschaften. Dengue gehörte zum festen Bestandteil der Abendnachrichten. Gesundheitsbehörden,
Zivildienst, Fachärzte ja auch Politiker wurden pausenlos interviewt und sagten
viel oder weniger Kluges zu der, nun Epidemie genannten, Infektionskrankheit. Dabei wäre die Bekämpfung
so einfach gewesen, stehende Gewässer regelmäßig besprühen, keine offenen
Wasserbehälter gefüllt lassen und die Stechmücke
hätte kein so leichtes Leben gehabt. Da dies aber nicht geschah, freute sie
sich darüber und pflanzte sich erfolgreich fort. Ja die Aedes aegypti , wie man
diese Fliege wissenschaftlich nennt, entwickelte sich weiter, mutierte und
heute transportiert sie sowohl den Zika-Virus als auch den Ausläufer
Chikungunya. Eigentlich viel zu schöne Namen für eine so hässliche Fliege mit
ihren langen, dünnen Beinen und dem gefährlichen zustechenden Stachel.
Wieder ist sie ein gutes Thema für die Medien, sie liefert permanent
Nachrichten kostenlos und dies sogar weltweit. Brasilien ist dadurch nicht nur
was seine politische und wirtschaftliche Situation angeht im Zwielicht der
Weltpresse, sondern auch deshalb, weil ja in wenigen Monaten in Rio de Janeiro
die Olympischen Spiele stattfinden und diese herrliche Stadt genügend stehende
Gewässer aufweist. Man denke nur an die Bahia de Guanabara, dieser offene Schlund
der vom Meer her die Schiffe in den Hafen trägt und dann weiter an den
einstmals schönen Stränden von Flamengo und Botafogo vorbei zieht oder besser
gesagt steht. Dort sollen die Segel- und Ruderwettbewerbe stattfinden. Man
stelle sich das einmal vor, die Hochleistungssportler aus aller Welt, die wie
teure Rennpferde trainiert, gepflegt und betreut werden, sollen sich nun nahezu
hautnah in die stehenden, verseuchten Gewässer dieser Bucht begeben um im
besten Fall einige Medaillen zu gewinnen. Einige nationale olympische Verbände
haben ihre Athleten bereits vor den Gefahren gewarnt und ihnen freigestellt ob
sie teilnehmen wollen oder nicht. Der australische Verband gab gar einen
Orientierungsleitfaden für seine Athleten heraus in dem davor gewarnt wird in
Lanchoneten sich zu versorgen, in kurzen Hosen und Hemden auf die Straße zu gehen,
Fremde zu küssen oder gar ohne Präservativ
Geschlechtsverkehr zu haben. Selbst das Organisationskomitee der Spiele
hat ein Einsehen mit den tausenden von Sportlern und lässt an allen Fenstern
des olympischen Dorfs Fliegengitter anbringen. Kein Sportler soll sich ohne
Schutzmittel auf die Straße wagen. Herrliche Aussichten für freie und fröhliche
Spiele. Die Chemieindustrie wird dafür dankbar sein. Man hätte natürlich auch
schon früher damit beginnen können. Die vielen Herde der Fortpflanzung der
Aedes zu bekämpfen, aber das würde ja langfristige Planung und systematische
Organisation voraussetzen.
In dieser recht gefährlichen Zeit erreicht mich ein Anruf eines lieben
Freundes aus Berlin, er habe Sehnsucht nach Brasilien. Sicher er hat von den
niedrigen Temperaturen und dem immer recht frischen bis eisigen Wind in der
deutschen Hauptstadt genug. Wenn man vier Wintermonate hinter sich hat, dann
sehnt man sich nach Sommer, Sonne und Meer. Doch auch diese drei
verheißungsvollen Elemente sind nicht mehr so ungefährlich, Sommer ist der
beste Nährboden für Dengue und die Zikafliege, Sonne kann Hautkrebs verursachen
und das Meer naja, bei Recife sind es die Haifische, bei Bahia die Wellen und
weiter im Süden die verschmutzten Strände. Auch nicht mehr die reine Freude.
Doch er ließ sich die Idee nicht austreiben, schließlich verbringe er jedes
Jahr ein bis zwei Monate in Brasilien, habe seine Freunde und seine
Berufspartner hier, er ist Musiker. Doch so richtig wohl fühle er sich dieses Mal
nicht, meinte er, denn es sei doch etwas anders, im Oktober, es war gerade noch
angenehm mit der Witterung sei er im Tiergarten wie üblich morgens gelaufen,
dazu muss man sagen, er hat keineswegs Übergewicht, im Gegenteil ein ranker,
schlanker Typ, der weder raucht noch übermäßig trinkt, plötzlich fühlte er sich
nicht mehr so ganz fit, setzte sich auf einen Baumstamm und rums klappte er nach hinten weg. Dies sah ein
Busfahrer der gerade langsam mit einer Touristengruppe die Sehenswürdigkeiten
der alten und neuen Hauptstadt abfuhr. Er hatte ähnliches schon erlebt, hielt
an, sprang heraus und kümmerte sich um den Bewusstlosen. Ein Arzt der eben auch
joggte rannte vorbei und begann mit Wiederbelebungsversuchen, drückte den
Brustkasten zusammen und pumpte bis die Rippen brachen. Inzwischen kam dann der
gerufene Notarztwagen und brachte ihn in die Charité. Das alles dauerte doch 45
Minuten ohne Bewusstsein. Er wurde still gelegt und wachte erst einige Tage
später wieder auf. Die eingeleiteten Tests ergaben keinerlei bleibende Schäden,
was in einem solchen Fall angeblich nicht selbstverständlich sei.
Nach Monaten der Regeneration und Reha-Betreuung
sei er wieder hergestellt, aber irgendwie im Kopf verändert. Eine Unsicherheit
habe sich eingeschlichen, wie vor einer ersten Reise, das sichere Vertraute sei
weg, er horche täglich in sich hinein, überlege was gehe und nicht gehe, doch
ein großes, schönes Projekt an dem er arbeite, müsse er in Brasilien beenden.
Wie das denn sei mit der Dengue? fragte er, ob man denn frei auf den Straßen
gehen könne, wie ansteckend der Zika-Virus wäre? Das kam mir dann doch etwas
eigenartig vor. Brasilien ist eigentlich bekannt für seine Kriminalität, seine
kleinen Straßendiebe, die auch meinen Freund schon einiger seiner Apparate
entledigt haben. Doch all dies zählt nun nichts mehr, Dengue und Zika bilden
das Image des Landes weltweit, nicht die Korruption unter den Politikern, nicht
die Lava Jato Reinigungskampagne der Justiz, nicht die steigende Inflation und
Arbeitslosigkeit, nein unser emsige, fleißige Stechfliege prägt das moderne Brasilienbild.
Von Fußball redet schon lange niemand
mehr, die besten Spieler sind ja eh schon weg, von den Tangamädchen an den
Stränden von Norden nach Süden kaum mehr jemand, man hat sich auch daran gewöhnt oder die
Hintern sind nicht mehr so üppig rund, der Schlankheitswahn hat auch Brasiliens
junge Generation erfasst, die Vega-Welle, und der Karneval ist schon Routine,
jedes Jahr nahezu das Gleiche. Also brauchte Brasilien ein neues Image zur
Olympiade 2016: Dengue und Zika machen es möglich. Die vermeintliche Gefahr
schreckt nicht unbedingt ab, sie kann ein Kitzel sein, ein extra Atrinalinschub,
wer sich in die Gefahr begibt kommt darin um, sagt ein altes Sprichwort, doch
nichts ist schöner als die Gefahr, wissen schon die Bergsteiger und Rennfahrer,
wenn man dann überlebt, dann hat man den höchsten Punkt des Glücksgefühls
erreicht. Auf Brasilien 2016 übertragen: Überall lauert die Gefahr, Dengue, Zika,
Chikungunya, doch wer ohne sie zurück kommt, der hat ein erfolgreiches Abenteuer
hinter sich.
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