Das werden
sich viele in Europa, Nordamerika und sogar in Asien fragen. Denn nach den
letzten Wahlumfragen liegt ein einfacher Parlamentsabgeordneter, der sich nie
einen großen Namen gemacht hat mit einem klaren Vorsprung auf dem ersten Platz.
Selbst der kurzfristig ernannte Ersatzkandidat der Arbeiterpartei folgt erst
mit ziemlichem Abstand. Die klassischen Politiker, die man seit Jahren und
Jahrzehnten kennt und die auch schon Minister und Gouverneursämter inne hatten
folgen abgeschlagen und werden kaum in den zweiten Wahlgang gelangen.
Was zeichnet
den Kandidaten Jair Bolsonaro aus, dass gut ein Drittel der Stimmen ihm gehören
sollen? Er hat kein Regierungsprogramm, er gesteht, dass er von der Wirtschaft
nichts versteht und seine Interviews sind oft konfus. Was reizt aber
intelligente und mündige Wähler ihm möglicherweise ihre Stimme zu geben?
Eigentlich kann man es nur als Protest gegen das gesamte politische
Establishment ansehen. Parteien treten bei dieser Wahl, bis auf die PT, in den
Hintergrund, bei vielen Werbespots sind sie bis zur Unkenntlichkeit verwischt.
Es scheint wirklich so, dass viele Wähler den traditionellen Politikern einen
Denkzettel verpassen wollen. Das ist durchaus legitim, denn wer den Volkswillen
in den letzten zehn Jahren so verfälscht und manipuliert hat wie die führende
politische Klasse, der müsste eigentlich noch viel schlimmer bestraft werden.
Doch halt,
man muss auch genauer hinsehen. Wer würde den Präsidenten Bolsonaro im
Parlament denn unterstützen? Das wären die Vertreter der evangelikalen Kirchen,
die Vertreter des Agrobusiness und die Anhänger von Recht und Ordnung, die den
Militärs sehr nahestehen. Dazu würden dann natürlich die klassischen Wendehälse
von der MDP kommen, die immer auf der Mauer sitzen und seit 1985 in jeder
Regierung vertreten sind. Dies riecht sehr nach konservativer Ausrichtung, und
dies ist genau das was der brasilianische Mittelstand und auch die Oberschicht
wieder haben wollen: “Ordem e Progresso” anstatt “Desordem e Regresso”.
Die große
Frage bleibt natürlich, ob dieser Wunsch auch der harten Realität in Brasila
standhalten würde.
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