segunda-feira, 13 de janeiro de 2014

Ich bin heterosexuell, und das ist gut so !


Dies sagte ich zu meinem Chefredakteur. Der schaute mich ganz verblüfft an, so als ob ich gesagte hätte: Ich höre auf zu schreiben. Nein, sagte ich zu ihm, ich möchte schreiben, möchte mich outen, genauso wie es heutzutage die Homosexuellen und Lesben regelmäßig und mit großer Pressebeachtung machen. Spinnst Du, meinte er, das will doch keiner lesen. Wieso fragte ich, wenn sich einer outet und plötzlich erklärt, dass er ein Homo wäre, oder eine Kollegin sich zum lesbisch sein bekennt, dann gibt das doch auch Schlagzeilen. Folglich interessiert das sexuelle Verhalten von einigermaßen öffentlichen Personen doch die Allgemeinheit. So habe ich, nach langer, schwerer Prüfung, nach einem tiefen inneren Ringen mit mir, nach endlosen Monologen, nach dem Besuch von Schwulenlokalen, einfach festgestellt, ja ich bin hetero, und das möchte ich gerne bekannt machen.

Sag mal, bist Du bekloppt, meinte der Chef, immerhin sind laut Statistik doch etwa 90 Prozent der Deutschen hetero. Das stimmt wohl, sagte ich, aber sie outen sich nicht, sie bleiben still in ihrer Wohnung, arbeiten hart, zeugen Kinder, erziehen sie, investieren eine Menge Geld in sie, das nur selten wieder zurückkommt. Sie tun das im Prinzip selbstlos, für den Staat, für die Zukunft der Gesellschaft, und was machen die Homos? Sie leben nur in der Gegenwart, genießen die heute wachsende Toleranz, lassen sich von der Presse und den Politikern loben, und wenn sie alt sind liegen sie dem Staat zur Last und treten ab. Sie tun doch nichts für  unser Land. Ist das die erstrebenswerte Zukunft der Gesellschaft? Fragte ich provozierend den Chef.

Er wurde nachdenklich und zögerte, eigentlich hast du vielleicht recht, soll ich dir mal etwas unter vier Augen sagen, ich habe vor zwei Monaten meine Frau nach fünfundzwanzigjähriger Ehe verlassen und bin jetzt mit einem Mann zusammen. Es ging einfach nicht mehr anders, die Ehe wurde zum Zwang, der Sex zu einer unangenehmen Pflicht, mir stand überhaupt nur noch Einer, wenn ich dabei an einen gut gebauten Mulatten dachte, und irgendwann ist es dann passiert. Du weißt, ich bin Langläufer, Marathonist, und dabei gewinnen ja immer mehr die drahtigen, schmalen, braunhäutigen Typen aus Afrika. In unserer Trainingsgruppe gibt es auch welche aus dem Norden Brasiliens, feingliedrig, sehr schlank, mit den langen sehnigen Muskeln, einem Abdomen wie ein Waschbrett und Hinterbacken schmal und herrlich gerundet, dazu ein Glied, das im Ruhestand mein erigiertes weit übertrifft. Da ist es schwer cool zu bleiben, und dabei ist es passiert. Ich schaute unter der Dusche zu lange hin, Sandro schaute zu lange zurück und plötzlich bemerkten wir, dass sich bei uns Beiden etwas regte. Wir haben uns schnell in die Handtücher gehüllt, die Dusche verlassen, aber der Funke war übergesprungen. Wir tranken noch einen Kaffee zusammen und verabredeten uns zum gemeinsamen Training am nächsten Nachmittag. Das war unüblich, denn die Gruppe trainiert normalerweise morgens zwischen 6.00 und 8.00 Uhr. Doch nachmittags sind wir unter uns, erwecken kein Misstrauen.

Nach dem ersten gemeinsamen Training gingen wir zu ihm, er lebt alleine in einem Miniapartment von etwa 35 Quadratmeter, Schlafzimmer, Dusche und Kitchenette. In der Dusche war Platz für zwei, wir berührten uns, tasteten uns ab und hielten dann gegenseitig unsere Schwänze fest. Das war etwas völlig anderes  als das zarte verstohlene Streicheln durch eine Frau. Das war ein fester Hammergriff und dementsprechend schoss das Blut in die Adern, knallhart. Ja, wir tobten uns aus, und ich war danach so glücklich wie in meinem ersten Ehejahr. Wir trafen uns einmal, zweimal die Woche. Irgendwann fragte mich Eva, was mit mir los wäre, ich suche sie ja gar nicht mehr. Die Arbeit, das Training, New York wartet, entgegnete ich. Aber nach New York, die Woche die ich Tag und Nacht mit Sandro zusammen verbrachte, konnte ich das Doppelleben nicht mehr ertragen. Ich offenbarte mich Eva, sie reagierte wie erwartet, erschüttert, enttäuscht, wütend, weinend. Ich hätte ihr etwas  vorgemacht, sie getäuscht und so weiter, fünfundzwanzig Jahre ihres Lebens gestohlen. Sie musste einsehen, dass es kein Zurück mehr gab, ihre Lebensillusion von einem harmonischen Familienleben war wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Ich zog dann aus, in ein Flat und versuche mein neues Leben zu organisieren.

Jetzt musst du dich aber outen, bemerkte ich, das gibt doch eine herrliche Story für unser Blatt, seriöser Chefredakteur  liebt einen Mulatten, einen Marathonisten, das hilft der Auflage unseres Blattes. Danach könnte in der nächsten Ausgabe mein Bekenntnis als Hetero kommen. Das wäre doch ein realistischer, interessanter Dialog. Der Chef, überlegte, wiegte seinen Kopf und meinte, bist du sicher, dass du ein Hetero bist? Vielleicht steckt in dir  ein wenig Bisexualität. Du verkehrst in Künstlerkreisen, da ist Anderssein doch in, sicher hast du auch schon mal etwas mit so einem freien Happening-Artisten gehabt. Ich schaute ihn entgeistert an, nein, meinte ich, ich mag ihre Fantasie, ihre freie Artikulation ohne Vorurteile, ihre Sensibilität, aber im intimen sind mir Frauenbrüste und eine unbehaarte, zarte Haut doch lieber. Du bist sicher, dass du keinen Mutterkomplex hast, meinte er. Brüste liebt wer nicht genügend gestillt wurde. Da mag er recht haben, denn meine Mutter hatte tatsächlich im Kindbett eine Brustentzündung, ich wurde als Flaschenkind aufgezogen. Aber ich kann mit dem Komplex leben, ich liebe lange schlanke Beine, einen kleinen kompakten Hintern, eine Taille die man mit zwei Händen umfassen kann und schöne warme Brüste, dazu große, volle Lippen und langes schwarzes Haar.

Geringschätzig schaute mich der Chef an – wie gewöhnlich. Nun begann ich wirklich unsicher zu werden, ob ich denn rückständig bin, altmodisch, verklemmt, oder alles zusammen? Warum kann ich an den neuen Vorlieben nichts finden? Der Chef empfahl mir seinen Therapeuten, ich solle mich mal mit dem aussprechen, vielleicht entdecke er geheime Wünsche in mir, auch wenn ich sie wie Thomas Mann ein Leben lang unterdrückt hätte. Nach ein paar Sitzungen wäre ich mir sicher im Klaren und würde dann wohl einen anderen Artikel schreiben, zum Beispiel: „ coming-out als Bisexueller.“ Das wäre dann etwas für das Feuilleton.

Wie ein begossener Pudel verließ ich das Büro des Chefs, wutentbrannt setzte ich mich an meinem Computer und stellte den Artikel in meinen Blog, der viel gelesen wird. Aber er hatte recht, bis jetzt hat noch niemand auf mein „ coming-out „ als Hetero reagiert. Vielleicht liege ich wirklich falsch.

 

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