Brasilien befindet sich einmal
wieder in schwierigen Zeiten, seit einem Jahr wird das Land nicht mehr regiert,
sondern das politische Establishment in Brasilia beschäftigt sich nur noch mit
sich selbst. Wenn man bedenkt, mit welchem Engagement der wichtigste brasilianische Historiker des
19. Jahrhunderts, Francisco Adolfo Varnhagen, der Visconde de Porto Seguro, bereits 1877 dafür eintrat, dass die
Hauptstadt weg von der Küste ins Zentrum des Landes verlegt werden sollte und
mit welcher Begeisterung Juscelino Kubitschek den Aufbau der neuen Hauptstadt
in den 1950er Jahren vorantrieb, muss man sich heute fragen, ob es gut war den
Politikern eine so weit vom realen Brasilien entfernte „Insel“ zu bauen. Sie
beschäftigen sich immer mehr mit sich selbst als mit den Sorgen des Landes,
verschieben Ämter und Posten, lassen sich kaufen und kaufen Stimmen ein, alles
nur zu ihrem eigenen Vorteil. Das Volk zu dessen Wohle sie dienen sollen,
existiert in ihren Gedanken nur alle paar Jahre als Stimmvieh.
Wenn nun an diesem Wochenende
über das Verbleiben der Präsidentin Dilma Rousseff im Amt entschieden wird,
dann ist dies nur der vorläufige Höhepunkt einer am Volk und am Land vorbei geführten
Politik. Seit ihrem Amtsantritt zur 2. Regierungsperiode steht die Präsidentin
unter Beschuss, da es sich zeigte, dass die wirtschaftspolitische Richtung
ihrer Partei und ihres Vorgängers systematisch auf einen Absturz ausgerichtet
war. Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts lebte das Land auf der Woge der
steigenden Preise für Rohprodukte, die der Weltmarkt haben wollte und teuer
bezahlte. Mit den Einnahmen wurden Wahlgeschenke verteilt und Stimmen gekauft.
Doch das Verteilungsfest ist zu Ende gegangen, die Töpfe sind leer, die
Weltwirtschaft wächst nicht mehr, der Bedarf auch in China ist erst einmal
gedeckt. So versuchte man Schulden zu kaschieren und Finanzlöcher mit
Manipulation zu stopfen, das Resultat ist nun der Impeachmentprozess.
Dass bei dieser ganzen Geschichte
aber die brasilianische Volkswirtschaft abschmiert, Investoren das Land
verlassen, die Kaufkraft schwindet und Arbeitnehmer in Massen entlassen werden,
das interessiert in Brasilia kaum jemand. Sie kämpfen derzeit einfach ums
Überleben, da ja vielen die Polizei und die Justiz im Nacken sitzt. Schwierige
Zeiten. Aber man hatte das in der Geschichte des Landes immer wieder erlebt:
nach Getulio Vargas Selbstjustiz 1954, nach Janio Quadros unerklärtem Rücktritt
1961, nach der Machtübernahme der Militärs 1964 und nach dem Impeachment von
Präsident Fernando Collor 1990. Es wird weitergehen, ob es besser wird? Das
kann vielleicht nur eine „Mãe Santa“ vorhersehen.
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