Hatte es doch bereits das Jahr
2014 in sich. Es wurden Milliarden investiert, in luxuriöse Fußballstadien, die man zu einem
Teil nach einem Monat gar nicht mehr benötigte, in Infrastruktur, die niemals
ganz fertig wurde, und in Werbung, die Brasilien nur von seiner
Schokoladenseite zeigen sollte. Gut, das Land hat das große Fußballfest
gemeistert, auch wenn noch so viele, einschließlich die FIFA, der
Weltfußballverband, bis zum Schluss skeptisch waren, weil letztlich kein Termin
eingehalten wurde. Man verstand außerhalb nicht, dass das ja System war, keine
Termine einhalten, heißt improvisieren und Ausschreibungen umgehen, das kostet
nicht nur viel Geld, das bringt auch Einigen etwas ein. Wie gesagt, die
Organisation hat man gemeistert, aber nicht die Begeisterung der nationalen
Fans. Über ein Jahr beschäftigte sich die nationale Presse ebenso wie die
„torcedores“ nur damit, wer Brasiliens Endspielgegner am 13. Juli im Maracanã-Stadion
sein würde. Schließlich hatte man die schwere Scharte von 1950 auszuwetzen, 64
Jahre danach. Doch es kam noch
schlimmer, am 8. Juli 2014 gab es die Tragödie vom Mineirão, nein wir wollen
das Ergebnis nicht wiederholen, das könnte nur als Schadenfreude ausgelegt
werden, und nichts liegt uns ferner. Die stolze Präsidentin musste gute Mine
zum Spiel machen, und zusehen wie die so geliebten „hermanos“ das Endspiel
gegen die Deutschen bestritten und zum Glück durch einen Schicksalstreffer
verloren. Sonst hätte sie den Pokal auch noch dem ungeliebten Nachbarn
überreichen müssen. Es war auch so schlimm genug, zwischen der vor Freude
explodierenden Angela Merkel, und dem genüsslichen Grinsen des deutschen
Bundespräsidenten zu zu schauen, wie zum ersten mal eine europäische Mannschaft
auf südamerikanischem Boden den Pokal entführt. Wer weiß ob sich die Chance die
nächsten 50 Jahr bieten wird, diesen Makel zu reparieren?
Doch es kam noch schlimmer der
zweite Stolz des Landes stürzte noch mehr ab, in ein endlos tiefes Loch, nahezu
so tief wie die „ pré-sal-Bohrungen“.
Petrobras, der Stolz von Generationen Brasilianer, die auch immer wieder dazu
animiert wurden durch Aktienkäufe ein Teil dieser Vorzeigegesellschaft zu
werden. Zunächst kam ans Tageslicht, dass man eine Fehlinvestition nach der
anderen getätigt hatte, einmal wurde eine obsolete Ölraffinerie in Texas zu
weit überhöhtem Preis gekauft, dann ließ man sich von Präsident Lula dazu
zwingen gemeinsam mit der venezolanischen Ölgesellschaft PSVA in Pernambuco eine neue Raffinerie zu bauen,
die zum Nutzen beider Länder sein sollte. Doch daraus wurde nichts, da
Venezuela längst pleite war, und sein stolzer Präsident das zeitliche gesegnet
hatte, damit musste die brasilianische Ölgesellschaft das Riesenprojekt alleine
stemmen, was so nie geplant war. Die verantwortlichen Direktoren aber hatten
gänzlich andere Absichten, ihnen ging es wenig um den Nutzen solcher
Investitionen, vielmehr um den Überschuss der in ihre Taschen floss. Dazu kam
noch, dass hinter ihnen Politiker standen, die sie in die Direktionssessel gehievt
hatten, und letztlich auch einen return erwirtschaften wollten, sei es für ihre
Parteikasse, sei es für ihre Wahlkampfspesen oder sei es auch für sie selbst.
Bisher kennt man nur die Spitze des Eisbergs, drei ehemalige Direktoren sind
entlarvt, ein Dutzend Executives von den führenden brasilianischen Baufirmen
unter Verdacht und teilweise in Untersuchungshaft, dazu einige schillernde
Geldmakler, aber das Fundament des Eisbergs hat noch niemand gewagt zu
erforschen, das könnte schlimmer als das Seebeben von Fukushima werden, denn
darin wären viele hochrangige Politiker verwickelt, ob sich je ein
brasilianischer Investigator oder Richter so weit vorwagt, darf bezweifelt
werden. Der mensalão wäre dagegen eine
„marolinha“ gewesen, oder ein mensalinho. Wie es weitergehen wird, weiß
nicht einmal die Präsidentin mehr, sie, die einst so geachtete Supermanagerin,
hat viel von ihrem Image verloren und gleicht einer Gejagten, die mit einem
unüberbrückbaren Spagat die Finanzen des Landes retten soll. Gleichzeitig muss
sie aber mit ansehen, wie ihre so geliebte Petrobras nahezu zerfällt. Kein
Buchprüfer will mehr die Bilanzen unterschreiben, es sammeln sich die Scharen
von geprellten Aktionären, und der Ölpreis der Welt fällt ins uferlose. Der
Wert des größten brasilianischen Unternehmen hat sich auf 10 Prozent dessen
verringert was es einmal darstellte.
Doch der Schrecken ist noch lange
nicht zu Ende. Das Bruttosozialprodukt zeigt negatives Wachstum, die
Auslandschulden steigen, die Außenhandelsbilanz ist ebenfalls negativ, das
einzige was steigt, sind die Inflation und die Schuldzinsen. Das kann kein noch
so gewiefter Wirtschaftsexperte erklären. Oder sagte vielleicht der
Wirtschaftsjournalist Amir Khair in seinem sonntägliche Kommentar im Estadão
vom 1. Februar die Wahrheit, als er die Wirtschaftspolitik des Landes mit einem
Ruderboot verglich, in dem zwei Männer sitzen, der eine will mit seinen
beschränkten Kräften das Boot nach vorne bringen ( sprich auf 1,2 % Gewinn über
das PIB), der andere aber rudert mit seinen kräftigen Armen dagegen mit seiner
ständigen Erhöhung der Zinsen, damit nähert sich das Boot immer gefährlicher
dem Abgrund anstatt aus dem Strudel herauszukommen, denn der größte Schuldner
ist der Staat selbst, und er muss die immer höher werdenden Zinsen bezahlen.
Damit bekämpft man keine Inflation und heizt kein neues Wachstum an. Mit
anderen Worten, die Aufgabe der neuen Finanzpolitik ist so zum scheitern
verurteilt.
Die Quittung aber bekommt der
gemeine Bürger, dem alles erhöht wird, Strompreise, Wasserpreise, Benzinpreise,
Schulgeld, Haareschneiden, Taxifahren, Preise im Supermarkt, und ehe er die
Rechnung aufmacht, hat ihm der Fiskus und die Inflation seine kleine
Gehaltserhöhung längst wieder weggeschnappt. Das Land bewegt sich in Richtung
argentinische Verhältnisse. Hoffentlich erwacht irgendwo ein kluger, fähiger
Mensch, der in vier Jahren das Ruder wieder herumreißen kann, ehe wir
venezolanischen oder griechischen Verhältnissen entgegen rudern. Denn hinter
Brasilien steht keine europäische Zentralbank, die rettend eingreifen könnte,
sondern nur die Mutter Erde, die das Land so reich gesegnet hat mit Sonne,
Wasser, Pflanzen, Bodenschätzen und einem großen Volk. Die Sonne scheint noch
reichlich, aber der einstmalige Spitzenplatz als das süßwasserreichste Land der
Erde ist bereits so in Gefahr, dass in vielen Gebieten des Landes dieser
wichtigste Rohstoff des Menschen rationiert werden muss. Man hatte sich zu sehr
auf Petrus verlassen, doch er war wohl die letzten Jahre mit anderen Regionen
der Welt beschäftigt und die Verantwortlichen in Brasilien haben dies zu spät
bemerkt. Wo einst große Stauseen das Volk beglückten, kann man heute auf dem
Trockenen gehen. Dies wirkt sich natürlich auch auf die Pflanzenwelt aus, wo
wenig Wasser hinkommt wächst weniger, dabei ist gerade der Agrarsektor
Brasiliens Exportbringer Nummer eins. Wenn dieser aber weniger Devisen ins Land
bringt steigt das Handelsdefizit immer mehr. Es gibt Experten, die die Ursache
des Klimawandels beim Abholzen des Amazonas-Regenwaldes suchen. Wenn dies so
wäre, sollte man eingreifen, aber das wird schon lange angemahnt. Die
Bodenschätze scheinen noch reichlich vorhanden zu sein, doch die Nachfrage der
anderen ist nicht mehr so groß, also sind damit auch keine neuen Erfolge mehr
zu erzielen. Was aber bleibt ist das Volk, und das sollte bereit sein sein
Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und dafür zu sorgen, dass diese
großartige Land nicht vor die Hunde geht und von einigen Glückrittern ausgeraubt
und niedergemacht wird.
Hoffen wir, dass uns diese
Hoffnung nicht trügen wird.
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