Es gibt
historische Entscheidungen die weitreichende Folgen haben und noch nach mehr
als einem Jahrhundert eine ganze Region verändern und bedrohen können. Eine
davon geht in Brasilien auf das Jahr 1897 zurück. Nach der Schlacht in Canudos
gegen die Anhänger des Predigers Antonio Conselheiro, wurden die
Regierungstruppen zum großen Teil nach Rio de Janeiro zurückgeholt. Man
versprach ihnen dort für ihre Zukunft zu sorgen und ihnen lebenswerte
Unterkünfte zu bauen. Aber wie so oft, blieb es beim Versprechen. Diese
Soldaten und Söldner mussten nun in der Hauptstadt selbst um ihr Überleben
kämpfen und bauten ihre Hütten, wie sie es aus dem Norden Bahias gewohnt waren,
am Morro da Provincia, der später den Namen Morro da Favela erhielt.
Gleichzeitig strömten hunderttausende von befreiten Sklaven aus den Orten des
Vale do Paraíba in die Hauptstadt, wo sie Arbeit und Unterkunft erhofften.
Ab dieser Zeit
wuchsen die Favelas an den Hügeln Rio de Janeiros unaufhörlich und trugen zu
dem exotischen Image Brasilien kräftig bei, das sich ab den 1950er Jahren über
die ganze Welt verbreitete. Dazu trug außerdem der berühmte Spielfim “Orfeu Negro”, 1959 von Marcel
Camus gedreht, bei. Der nicht nur die Favelas romantisierte sondern
auch den Karneval der Stadt, welcher als Hintergrund des Films diente.
Zu jener Zeit
hatte aber die Kriminalität des “jogo do bicho” bereits einen großen Teil der
Kontrolle sowohl über verschiedene Favelas als auch über die Sambaschulen, die
den Karneval bestritten, übernommen. Da mit diesem leicht verdienten Geld
sowohl Polizisten als auch Politiker gekauft werden konnten, war es einfach zu
erreichen, dass der Staat beide Augen verschloss.
Die
Kriminalität wurde während der Diktatur durch Gegengewalt einigermaßen unter
Kontrolle gehalten, aber bereits gegen Ende der 1970er Jahre erreichte
Brasilien eine neue, recht unerwartete Kriminalitätswelle: Die des
Drogenhandels und Drogentransports. Mit der wirksamen Kontrolle der
traditionellen Transportwege von Kolumbien über die Karibik oder Mexiko nach
den USA und Europa, suchten die südamerikanischen Drogenbarone alternative
Wege. Brasilien bot sich mit seiner langen Grenze geradezu an.
Seitdem hat
sich Brasilien im generellen, und Rio de Janeiro im besonderen als
hervorragender Umschlags- und Logistikplatz für den Drogenhandel entwickelt.
Die großen Bosse machen es den “bicheiros” nach, sie erkaufen sich die Freiheit
bei der Polizei und den Politikern. Damit ist sowohl die Stadt als auch der
Staat Rio ziemlich unkontrollierbar geworden.
Die
derzeitige Intervention kommt recht spät und kann nur Erfolg haben, wenn daraus
eine langfristige Kontrolle entsteht. Begleitend ist eine Umstrukturierung der
Staatsordnung und der Polizei, genauso wie des Sozial- und Erziehungswesen
notwendig, damit besonders den Jugendlichen eine alternative Perspektive
gegeben werden kann.
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