segunda-feira, 24 de junho de 2013


                                                  Die Facebook-Demokratie

 

Demonstrationen und Aufstände  sind Bewegungen des Volkes, die in der Geschichte immer wieder vorkommen. Eine Gruppe, eine Organisation, ein Staat haben es so an sich, dass sich immer ein Anführer bildet, oder ernannt wird. So lange er seine Funktion gut erledigt und die Erwartungen der Gruppe erfüllt, gewinnt er an Ansehen und kann dieses allmählich in Macht umsetzen. Macht hat aber etwas mit beherrschen und entscheiden zu tun. Im günstigsten Falle entscheidet der Mächtige zum Wohle seiner Gruppe, damit es ihr besser geht, damit ihr Leben angenehmer wird, und damit er in seiner Machtposition bleibt. Häufig, und das ist geradezu menschlich, benützt der Herrschende diese neugewonnene Machtfülle erst einmal zu seinem und dem Wohl seiner engsten Gefährten, seien es Minister, Berater, die Familie oder die Partei. Die Menschheitsgeschichte ist voll von diesen immer wiederkehrenden Vorgängen. Nach dem Zerfall des römischen Reiches waren es in Europa die Päpste und Fürsten, oftmals in Personalunion, die eine Region und ein Volk beherrschten. Zwar kam es immer wieder zu Aufständen, aber diese waren kaum von Erfolg gekrönt, denn die Machtstruktur war so gestaltet, dass der Unterbau des Herrschers mit Disziplin und Geld an ihn gebunden war, und deshalb jede Gegenreaktion sofort niedergeschlagen werden konnte. Deshalb funktionierte dieses System auch etwa 1700 Jahre. Es war zwar nicht human, aber erfolgreich. Erst mit dem Sturm auf die Bastille in Paris im Jahr 1789 gelang es einem ausgebeuteten und revoltierten Volk sich gegen ein degeneriertes Königshaus durchzusetzen. Doch das Ergebnis war leider nicht das erwünschte, ein neuer Führer trat hervor und unterjochte und beherrschte nicht nur sein eigenes Land, sondern nahezu ganz Europa. Aber die Stimme des Volkes verstummte nicht mehr. Es dauerte weiter nahezu ein Jahrhundert, und viele Menschenopfer, bis sich allmählich demokratische Strukturen entwickelten. Demokratisch in diesem Sinne heißt, dass das Volk wie am Anfang wieder bestimmt wer es vertritt, regiert und wichtige staatliche Entscheidungen fällt. Nicht umsonst war man sich im frühen Griechenland schon klar, dass Demokratie die höchste aller Staatsformen sei. Um diese jedoch zu erreichen, benötige man auch ein mündiges Volk, das entsprechend geschult und gebildet ist, um die Regeln der Demokratie zu verstehen und zu beherrschen.  Darin liegt bis heute in vielen Länder der Erde das Problem, dass sie zu schnell von einer Abhängigkeit, sei es kolonialer oder diktatorischer , in die demokratische Unabhängigkeit entlassen wurden, ohne die neuen Regeln zu verstehen und zu beherrschen. Dadurch kam und kommt es immer wieder zu Rückfällen.

Eine ganz andere Entwicklung stellt man aber bereits seit dem 20. Jahrhundert in vielen Demokratien fest, das elitäre Verhalten der Politikerklasse. Einmal gewählt geben sie sich Pfründe und Vorteile, die dem gemeinen Bürger nicht zustehen. In seinem Verhalten benimmt sie sich wie frühere Hofvasallen, die am Versorgungsapparat des Fürsten hingen. Nur alle paar Jahre steigen sie hinab zum gemeinen Volk, um ihm Sand, mittels Versprechungen, in die Augen zu streuen, damit sie wieder vier oder mehr Jahre im Dunstkreis des „ Olymps“ ihrer Eitelkeit frönen können. Dieses pseudodemokratische Verhalten, das wir gerade heute in vielen westlichen Ländern feststellen, führt jedoch zu einer Staatsverdrossenheit, die im günstigsten Falle dazu führt, dass sich eine große Zahl der Bürger für das politische Leben gar nicht mehr interessiert, sich von Wahlen fernhält und seinen eigenen Interessen lebt, solange die Wirtschaft und Struktur eines Landes dem Einzelnen  ein sorgenfreies Leben gewährt. Es bedarf dann aber nur eines kleinen Anlasses um diese Friedfertigkeit und politische Abstinenz zu zerstören, und in eine breite Demonstration oder gar einen  Aufstand zu verwandeln. Genau diese Situation erleben wir dieser Tage zunächst in Istanbul in der  Türkei, und nun in Brasilien. Im ersten Falle war es die Selbstherrlichkeit des Staates und der Stadtverwaltung, eine der wenigen Grünflächen in der Millionenstadt in ein Shopping Center verwandeln zu wollen. Den Bewohnern der Stadt, hat dies gereicht, sie gingen auf die Straße, demonstrierten für das was ihnen wichtig war, und wurden dann brutal von der staatlichen Ordnungsmacht bekämpft. Diese Demonstration griff aber auf andere Städte des Landes über, und plötzlich sah sich der politische Führer, der Ministerpräsident in der Defensive. Er reagierte wir Herrscher eben reagieren, mit Ausdrücken wie: „ Terroristen, Banditen, Revolutionären“. Dabei waren es Bürger die ihn einmal gewählt hatten. Sie akzeptierten nur keine einsamen Entscheidungen zu ihrem Nachteil. Das muss eine Demokratie ertragen. In der Türkei herrscht derzeit eine Situation, i n der der Staat seine militärische Gewalt aufbietet und zu keinem Dialog bereit ist. In der Stille wird weiter demonstriert.

Eine ähnliche Situation löste vor einer Woche in São Paulo die erste Straßendemonstration aus. Der Fahrpreis wurde für öffentliche Verkehrsmittel von drei Real auf 3,20 erhöht. Eigentlich kein Grund zu Beschwerde, wenn man die Erhöhung mit der Inflation vergleicht, doch gerade dieser scheinbar berechtige Zuschlag, war die Zündschnur um eine mit dem Staat unzufriedene Bürgergruppe  in Bewegung zu setzen. Nun entwickelte sich etwas, was in dieser raschen Form heute durch das Internet möglich ist, in den sozialen Netzen Facebook und Twitter multiplizieren sich die Aufrufe zu Demonstrationen, gerade unter der jungen Generation, die einen Teil ihres Lebens ohnehin nur im Netz verbringt. Es ist nicht festzustellen, wer den ersten Aufruf ins Netz gestellt hat, aber seitdem erlebt die Netzgemeinde einen Informationsaustausch mit Aufrufen, Kommentaren, Absprachen, die mühelos zu jeder beliebigen Zeit an jedem Ort Tausende und Abertausende auf die Straße bringen. Der Multiplikationsfaktor ist enorm und verbreitet sich mit Lichtgeschwindigkeit. Das Ergebnis ist, dass derzeit in hunderten brasilianischer Städte demonstriert wird, und dies nicht nur gegen eine Fahrpreiserhöhung, sondern gegen alles, was in diesem Land schlecht funktioniert, das ist nicht eben wenig. Es sind keineswegs die Favela-Bewohner oder die Unterprivilegierten, die der Staatsmacht zeigen, dass sie unzufrieden sind, es sind die Bürgersöhne und Töchter, die genug zu essen haben, die an öffentlichen und privaten Universitäten studieren, oder gar ordentlich bezahlte Jobs haben, aber sie alle haben genug von Korruption und Vetternwirtschaft der Politiker, ihrer Selbstherrlichkeit, schlechter staatlicher Gesundheitsversorgung und mieser öffentlicher Schulen. Sie zeigen ihr Unverständnis gegen Milliardenausgaben für die Fußballweltmeisterschaft und Einsparungen bei der täglichen Versorgung.

Dies hat die Politiker jeder Couleur kalt erwischt, in São Paulo sieht man den frischgebackenen PT-Bürgermeister Schulter an Schulter mit dem PSDB-Gouverneur seine zwanzig Centavos-Erhöhung solange zu verteidigen, bis er nicht mehr kann und sie wieder zurücknimmt. Kein Politiker schlägt derzeit aus den Demonstrationen Kapital, wenn Parteianhänger mit Fahnen auftauchen, werden sie ausgeschlossen und die Banner zerrissen. Die Demonstrierenden sind keine Parteianhänger, es sind junge Bürger, die ihr Recht wollen. Das sich dazwischen Randalierer und Gewalttäter einmischen ist nicht gewollt, aber die staatliche Ordnungskraft ist so verunsichert, dass sie nicht einmal mehr gegen diese einschreiten. Die  Demokratie ist heute in den Händen der jungen Brasilianer, die genug von den Machenschaften der Machtgeneration haben und für eine gerechtere Zukunft kämpfen, ihr Versammlungsfeld ist Facebook  und Twitter, dort holen sie ihre Information, berichten über ihr Denken und die Ergebnisse und stimulieren sich gegenseitig. Dem hat die Machtbasis Brasilia derzeit nichts entgegenzusetzen, sie ist ratlos.

Es kann gut sein, dass sich die Bewegungen wieder verlaufen werden, so wie „occupy Wallstreet“, aber was bleiben sollte, ist die Erkenntnis, dass sich Denken, Handeln und Kommunikation der Politikerschicht ändern muss. Die jungen Generation will nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden, und nicht nur Entscheidungen empfangen, sie will mitdiskutieren und mitbestimmen, nicht als Partei und nicht als einzelne Anführer, sondern als Generation des Internet, das keine Hierarchie mehr kennt. Das müssen nun die Politiker erst einmal lernen.

 

Eek 21.6.2013

 

 

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