quarta-feira, 28 de novembro de 2012

Morde in São Paulo


In São Paulo geht die Angst um. Jeden Morgen wird in den Frühnachrichten der Fernsehstationen, im Radio und in den Zeitungen über neue Morde berichtet. Meistens sind es um die zehn Tote pro Nacht, manches Mal Polizisten, sonst aber hauptsächlich jüngere Männer, die entweder schon ein Strafregister haben, oder in Drogengeschäfte verwickelt sind. Aber auch Unschuldige können die Opfer sein, wenn sie gerade zur falschen Zeit am falschen Ort sind.  Das hält nun schon einige Monate so an, und hat bereits dem Landesminister für Sicherheit seinen Job gekostet, weil er meinte, dass er ohne die Hilfe der Bundesjustiz auskommen könnte. Wenn dies aber so weitergeht, dann kann es bei der nächsten Wahl auch den Kopf des Gouverneurs kosten, denn der Regierungspartei in Brasilia kommen diese sogenannten „ chacinas“ ganz gelegen, das Thema  Sicherheit, wird bei den nächsten Gouverneurswahlen im Oktober 2014 ein wichtiges Thema werden. Wer sie nicht garantieren kann, verliert Stimmen und damit auch die Wahl.

Wenn man aber der Bundesstatistik glauben darf, so ist São Paulo bei weitem immer noch der sicherste Staat der Union. Pro einhunderttausend Bewohner geschehen in Alagoas 76,3 Morde, in Espirito Santos 45,6, in Bahia 33,2, in Rio de Janeiro 25,8 im Staat São Paulo 10,7 und in der Stadt São Paulo jetzt 11,3.

Man kann leicht erkennen, wie die Medien Angst und Psychose erzeugen, und damit gar Wahlen beeinflussen können. Es kommt nur darauf an, wie und wie häufig man eine Nachricht wiederholt.

quinta-feira, 22 de novembro de 2012

Sterbehilfe


Als ich vor einigen Tagen die Sendung „hartaberfair“ von Frank Plasberg im Programm der Deutschen Welle ansah, dachte ich an das letzte Jahr meines Vaters. Er befand sich im Endstadium der Demenz, an das Bett gebunden, die Kommunikation fand nur noch über Augen und Händedruck statt und plötzlich verweigerte er die Nahrungsaufnahme. Obwohl meine Mutter ihn mit Hilfe einer Hospizhelferin bestens versorgte, war ihre Möglichkeit der Pflege zu Ende. Er wurde ins Krankenhaus eingeliefert und da ich gerade zu Besuch weilte, begleitete ich ihn im Krankenwagen und besorgte die Einlieferung. Soweit schien mir alles normal und gut organisiert, doch als der diensthabende Arzt mir eine direkte Frage stellte, war ich zunächst geschockt: „Sollen wir lebenserhaltende Maßnahmen ergreifen, wenn es notwendig wird?“ Auf diese Frage war ich nicht vorbereitet, was hatte dies zu bedeuten? Nun, der Arzt erklärte mir, dass dies vom Sauerstoffgerät bis zur intravenösen Ernährung reichen könnte. Ich war unschlüssig, sah meinen einst aktiven Vater liegen, zusammengefallen, nur noch Haut und Knochen, kaum bei Bewusstsein und fragte mich, was für ihn besser wäre. Ich kam zu dem Schluss, dass eine Lebensverlängerung durch Geräte und technische Maßnahmen ihm nicht wirklich helfen könnte, sein Zustand hielt bereits über ein Jahr an und der Zerfall nahm langsam, aber unwiderruflich zu. Der Arzt wartete auf meine Antwort, denn ich hatte das Einlieferungsdokument zu unterschreiben, er sah mich an und ich sagte – „Nein“. Erst danach kam mir der Gedanke, dass ich damit wahrscheinlich über das Leben meines Vaters entschieden habe.

Es kam nicht dazu, sein Zustand verbesserte sich soweit, dass er wieder nach Hause kam und wieder natürlich ernährt werden konnte. Er lebte noch drei Monate, ehe er in seiner eigenen Umgebung verschied. Doch der Gedanke bewegte mich lange, mit einem Wort hätte ich über das Leben oder den Tod meines Vaters entscheiden können.

Als ich die Diskussionsteilnehmer in Plasbergs Sendung hörte, erinnerte ich mich an diese Situation, in welcher ich unvorbereitet mit der eigentlich ärztlichen Frage konfrontiert wurde, wann ein Leben endet. Während der Fernsehdiskussion begegneten sich extreme Vertreter, auf der einen Seite ein Arzt, der seit 15 Jahren Sterbehilfe leistet sowie ein Witwer, der das Ableben seiner Frau auf eigenen Wunsch mit Hilfe der schweizerischen Organisation „Exit“ erlebte, auf der anderen Seite ein Kapuzinermönch, der langjährige Erfahrung in der Hospizausbildung mitbrachte, sowie eine Palliativärztin aus Dresden. Dazwischen saß, nicht nur physisch, sondern auch in der Meinung, der ehemalige Bürgermeister von Bremen, Henning Scherf, der Sterbehilfe als ein Tabu betrachtet und sich dagegen wehrt, dass irgendwann der Staat per Gesetz oder ein Gericht per Urteilsbeschluss über das Leben oder dessen Ende entscheidet. Die Diskussion wurde teilweise sehr emotional geführt, besonders als der Witwer aus der Schweiz ausführlich über die Entscheidung seiner Frau und ihre letzten gemeinsamen Tage berichtete. Bruder Paulus erwähnte schockiert, wie ihm dabei kalt wurde, ob der objektiven, fast emotionslosen Erzählung des Witwers. Ebenso wandte er sich energisch gegen das Tun und Handeln des Sterbehelfers aus Berlin, der berichtete wie intensiv und persönlich er seine Patienten begleitet und durchaus Energie darauf verwendet, sie von ihrem Wunsch, dem Leben ein Ende zu machen, abzuhalten.

Letztlich ging es aber eindeutig um die Frage, darf ein Mensch den legitimen Wunsch haben, seinem Leben ein Ende zu bereiten, wenn er unheilbar krank ist und nur noch einen langen Leidensweg vor sich hat, oder ist dies allein Gottes Entscheidung. Die Meinungen prallten aufeinander und es kam so wenig zu einer Einigung wie zwischen Israel und Palästina, aber es zeigte sich auch in Zusatzbeiträgen und Meinungsumfragen, dass die Mehrheit der Deutschen heute der Meinung ist, dass ein Mensch, der im Vollbesitz seiner Sinne ist, über das Ende seines Lebens selbst entscheiden darf. Wenn er dies in einem Testament festlegt, sollten sowohl Ärzte als auch Angehörige daran gebunden sein, was in der Praxis nicht unbedingt eingehalten wird. Leben und vor allem Ableben ist ja nicht nur ein physischer Vorgang. Ärzte mögen da noch professionell und wenig emotional vorgehen. Statistiker noch viel weniger, denn letztlich ist der Mensch keine seltene Spezies, es gibt viele Milliarden davon, entscheidend sind letztlich die direkten Angehörigen, die entweder den letzten Wunsch respektieren oder aber emotional an dem Leidenden hängen und den Abgang der Natur überlassen, auch wenn er quälend und schmerzlich ist. Seltener sind die materiell Denkenden, die dann das Ableben kaum erwarten können.

Die harte und manches Mal an der Grenze zur Fairness geführte Diskussion zeigte jedoch wieder einmal, wie unterschiedlich die Meinung zur Sterbehilfe noch ist, wobei beide Seiten gute Argumente anführten. Die Christen und Palliativmediziner verteidigen den natürlichen Abgang, der nicht von Menschenhand beeinflusst werden darf, die Sterbehelfer und die Mehrheit der Bevölkerung sehen aber im schweren Leiden im Endstadium keinen Sinn. Eine klare Rechtslage gibt es in vielen Ländern nicht. Wer es zu Lebzeiten verfügt, kann also sein Sterben selbst bestimmen, ansonsten liegt es in der Hand von Ärzten oder der Natur.

 

Eek 22.11.2012

 

sexta-feira, 9 de novembro de 2012

Die USA - ein gespaltenes Land


Es hat schon viele Superlative für dieses weite, große Land gegeben: Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wurde es lange genannt, später nannten es Kritiker: das Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten, Amerikaner selbst nannten oder nennen es heute oft noch: gods own country.
Die Wahlen dieser Woche zeigten es jedoch sehr deutlich, die USA sind ein gespaltenes Land. Nicht nur, weil der Amtsinhaber und wiedergewählte Präsident gerade einmal 50 Prozent der abgegebenen Stimmen einheimsen konnte, nein ganz einfach deshalb, weil die Bevölkerung polarisiert ist. Wenn man die Landkarte mit den Farben der beiden Parteien versehen betrachtet, dann erkennt man sehr schnell die beiden Amerikas. An den beiden Küsten, am Atlantik und Pazifik sowie im Nordosten und östlichen Norden, überwiegend demokratische Wähler, der Rest des Landes aber, Südstaaten und Mittelwesten, sind fest in republikanischer Hand. Der Unterschied zwischen Demokraten und Republikanern könnte derzeit nicht extremer sein.
Republikaner ist der weiße mittelständige Bürger, der einen sicheren Job hat oder seine eigene Firma, der erfolgreiche Amerikaner, der von den Steuergesetzen begünstigt ist und der auf dem Rücken des einfachen Mannes sein Vermögen vermehrt. So wie der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, der
nur 17 Prozent Steuern bezahlt und sich an dem Niedergang vieler Firmen bereichert hat.

terça-feira, 6 de novembro de 2012

Krieg in São Paulo


São Paulo befindet sich im Krieg. Es scheint ein Dreifrontenkrieg zu sein. Die Gangster der PCC gegen die Drogenhändler, und die Drogenhändler gegen die Polizei. Dazwischen taucht dann ab und zu auch noch eine private Miliz auf, die aus ehemaligen Polizisten oder  Rechtsschützern außer Dienst besteht. Es geht nun schon gut zwei Monate so, und jede Nacht gibt es mehr oder weniger zehn Tote. Etwa 90 Polizisten starben bereits dabei. Das sollte eigentlich die Verantwortlichen für Sicherheit aufschrecken, denn irgendwann könnte dieser Krieg unkontrollierbar  und die Zivilbevölkerung mit hineingezogen werden. Es gab auch schon mehrere Tote, aus Versehen. Aber bis dieser Tage gefiel sich der Chef der Polizei im Staat São Paulo damit, in der Presse zu verkünden, dass er keine Hilfe der Zentralregierung benötige, er  hätte sowohl zivile als auch uniformierte Polizei genug. Nur die Morde gehen weiter – Nacht für Nacht. Weshalb nun endlich der Gouverneur sich einschaltete und auch die Präsidentin. Ob aber die recht bescheidenen Maßnahmen, die Verlegung von gefährlichen Kriminellen in Sicherheitsgefängnisse im Nordosten, die Finanzkontrolle deren Konten durch die Behörden und logistische Unterstützung durch die Bundespolizei ausreicht, diese nächtlichen Verbrechen zu beenden, darf in Zweifel gestellt werden. Die Realität ist, dass die öffentliche Verwaltung und die Polizei  gewisse Teile der Stadt nicht mehr kontrolliert. Vielleicht bedarf es doch des massiven Einsatzes aller Schutzkräfte, wie in Rio de Janeiro, auch wenn es die lokalen Politiker bisher nicht wahr haben wollen. Aber weiterhin nur die Toten zählen ist keine Lösung. 

Und noch einmal Mensalão


Die Urteile sind noch nicht alle gefällt, trotzdem haben die Richter des obersten Gerichts schon angedeutet, dass der Hauptschuldige Marcos Valerio sein wird. Zumindest ist ihm die höchste Strafe zugedacht, mehr als 40 Jahre Gefängnis. Ob das nun richtig und gerecht ist, mögen Juristen untersuchen, denn irgendwie müssen die Richter des Bundesgerichts Gesetze gefunden haben, um den Makler der Geldwäsche an den Pranger zu stellen. Aber gerade hierbei  kommen wir zu einer Erkenntnis: Marcos Valerio war keineswegs der Anführer, der Chefideologe dieses Systems, er war der willfährige Vermittler, der Geld von staatlichen Firmen erhalten hat, ohne eine Gegenleistung zu erbringen, dieses Geld dann mittels einer Bank sauber gewaschen hat und an den Kassenwart der PT weitergab. Natürlich hat er dabei mitverdient, denn ein reiner Idealist war er nie, sondern eben ein Dienstleister, der das System schon auf regionaler Basis einmal ausprobierte, und dabei hat es offensichtlich gut funktioniert.
Die Idee aber, Abgeordnete im Kongress zu kaufen oder ihre Stimme zu bezahlen, entstand sicher nicht in Marcos Valerios Kopf. Das haben Andere ausgeheckt. Das Gericht kam auch bereits zu dieser Erkenntnis, weshalb die ehemaligen PT-Führer José Dirceu und José Genoino verurteilt wurden. Wobei man allerdings die Querverbindungen zwischen Richtern und Partei erkennen konnte. Während der Berichterstatter sich bei der Bevölkerung einen enormen Kredit einsammelte, weil er hart und konsequent die Taten verfolgte und verurteilte, hatte man beim Revisor zeitweise den Eindruck, er würde als Verteidiger der Angeklagten auftreten. Dazu kam noch, dass überflüssigerweise ein ehemaliger Verteidiger José Dirceus nunmehr direkt als Richter über ihn urteilt, Ethik sieht anders aus. Aber das ist ohnehin in diesem Land noch ein sehr unterentwickeltes Fremdwort.
Der von einer langen Haftstrafe - es kommen bis jetzt bereits vierzig Jahre zusammen -bedrohte Vermittler wurde sich erst allmählich bewusst, dass er tatsächlich für einige Jahre hinter Gitter kommt. Nach brasilianischem Recht  sind offensichtlich gewisse Strafen, die von Ersttätern begangen werden und ein gewisses Strafmaß nicht übersteigen, von vorneherein zur Bewährung oder mit erleichteter Haft abgegolten. Dies würde aber für Marcos Valerio nicht zur Anwendung kommen. Weshalb er dieser Tage den Generalstaatsanwalt aufsuchte und bat, man möge ihn unter den Kronzeugenschutz stellen. Dies würde bedeuten, dass seine Strafe ausgesetzt werden könnte. Dafür bot er bisher nicht bekanntes Insiderwissen an, das die PT und damit die Regierung in der Zeit Präsident Lulas schwer belasten würde. Inwieweit diese Details nun mehr der Fantasie Valerios entsprungen sind oder ob er tatsächlich klare Fakten für die Beteilung höchster Regierungskreise, bis zum Präsidenten, in diesem Netz belegen kann, das bedarf sicherlich eingehender Untersuchung. Wobei man als Außenstehender sich natürlich fragen muss, wem die Zahlungen des „ mensalão“ in erster Linie genützt haben.  Natürlich der Regierung. Warum also soll sie nichts davon gewusst haben? Wenn aber der erste Minister bereits verurteilt wurde, kann man dann wirklich glauben, dass der Präsident nichts wusste? Bisher hat er sich noch nicht einmal auf die Seite der Richter und Ermittler gestellt, sondern hält eisern zu seinen Parteigenossen, was immer sie auch verbrochen haben. Niemand denkt daran, die Verurteilten aus der Partei auszuschließen, sie genießen nach wie vor das Vertrauen der Parteiführer, des Ex-Präsidenten und der Regierungmannschaft. Ein großer Brasilienkenner äußerte einmal, er kenne wenig Länder, in den so leicht aus Recht Unrecht und aus Unrecht Recht würde. Die Behandlung des mensalão´-Prozesses durch die politische Gesellschaft, die derzeit an der Macht ist, ist ein schlagendes Beispiel dafür. Nicht umsonst erwähnte Marcos Valerio bei seiner Aussage vor dem Bundesanwalt auch den Namen Celso Daniel. Dieser Fall lastet bis heute wie ein Kainsmal über der PT. Es ist mittlerweise eine Tatsache, dass der ehemalige Bürgermeister von Santo André und vorgesehene Minister in der ersten Regierung Lula sterben musste, weil er bei einem korrupten Netz in seiner Stadt nicht mehr mitspielte. Zwar sind die Mörder verurteilt, aber nicht die Planer und Drahtzieher dieses Komplotts. Nicht ein Wort des Bedauern kam bis heute über die Lippen des ehemaligen Präsidenten und seiner Parteiführer. Was immer das bedeuten mag.
Marcos Valerio hat keine gute Zukkunft vor sich, ob in oder außerhalb der Gefängnismauern, sein Dilema ist: er weiß zu viel.
Eckhard E. Kupfer
1.11.2012