Es sind die Jungen, die die Welt
verändern, ihnen gehört die Zukunft. Sie werden die Welt die nächsten fünfzig
Jahre gestalten, nicht die Alten und nicht das Establishment. Bereits vor mehr
als einhundert Jahren war es so, die Arbeiterbewegung kämpfte für mehr
Gerechtigkeit an den Werkbänken, die ersten Feminstinnen errangen ihre Erfolge,
sie wurden an Universitäten zugelassen, sie wurden nicht mehr
zwangsverheiratet, sie konnten an ein selbstständiges Leben und einen eigenen
Beruf denken. Die individuelle Freiheit wurde von Künstlern propagiert und
teilweise vorgelebt.
Dann kam der erste Weltkrieg, der
erst einmal Europa in Beschlag nahm. Aber die zwanziger Jahre ließen diesen
Drang nach Freiheit und Individualität wieder aufleben, wenngleich es
gesellschaftlich eher chaotisch zuging. Der einfache Bürger bemerkte wenig
davon, er malochte immernoch, fühlte sich besonders in Deutschland vom
Versailler Vertrag geknebelt und wollte doch nur Sicherheit und Fortschritt.
Etwas schönes im Leben, das ihm dann Hitler versprach. Er war in Deutschland
der einzige der aus der Weltwirtschaftskrise von 1929 Kapital schlug, weil er eine
Visionen hatte und diese gut verkaufte. Es waren extreme Visionen, daran ließ
er nie einen Zweifel, er versteckte seine Gedanken und Ideen nicht. Lange
vorher hatte er sie in einem der erfolgreichsten Bücher, das am wenigsten gelesen
wurde, bekannt gemacht. Wer es las wusste wohin die Richtung ging und konnte
für sich die Konsequenzen ziehen. Aber die wenigsten rangen sich dazu durch. So
kam es zur bisher größten Katastrophe der Menscheit, die aber angesagt war.
Danach begann die sogenannte:
“Stunde null”. Die Welt musste völlig neu geordnet werden. Es gab Sieger und
Besiegte, aber man musste ja doch wieder zusammen leben und miteinander reden
und handeln. In vielen Ländern war der Aufbruch aber reaktionär, das
Establishment, das überlebte nahm das Heft wieder in die Hand und wollte nach
alten Regeln neu aufbauen. Das ging eine Weile gut, weil Aufbau etwas
praktisches war, darüber musste nicht philosophiert werden, es war Tatkraft
gefragt. Neue Städte, neue Fabriken, der Wunsch nach Sicherheit, Wohlstand und
Fortschritt lebte wieder auf.
Erst als die nach dem großen
Krieg Geborenen flügge wurden, begann das Hinterfragen, der Gesellschaft, der
Konventionen der Werte. Teilweise wurden sie auf den Kopf gestellt, absolute
Freiheit war das Motto. Man ging für seine Ansichten auf die Straße, bekämpfte
den Moloch Staat und wollte eine andere Gesellschaft. Manche wurden radikal,
die Mehrheit ging den Weg durch die Instanzen, veränderte viel, kam aber auch
wieder dort an wo schon die früheren Generationen landeten: Im Establishment,
oder wenigstens in der satten, saturierten Gesellschaft.
Heute sind die Demonstranten der
1968er-Bewegung Großmütter und Großväter und müssen mit ansehen wie ihre Enkel
wieder rebellieren, teilweise gegen ihre Werte antreten und kämpfen, weil die
neue Generation nicht sieht was Freiheit und Globalisierung für Fortschritte
brachte. Sie leben ja darin und sind darin aufgewachsen. Was ihnen aber fehlt
ist Identität, die Mehrheit sind keine Weltbürger geworden, obwohl sie die
Möglichkeit hatten. Im Gegenteil, sie fühlen sich gefährdet und bedroht, von
der Bewegung die die Globalisierung hervorrief, von der größten Völkerwanderung
seit der Auswanderungswelle aus Europa im 19. Jahrhundert. Nur ist heute Europa
das Ziel. Aber auch die USA nimmt Abschied davon der Polizist der Welt zu
spielen. Amerika den Amerikanern, half eben einem Populisten ins Amt. Europa
steht aber hilflos da, kann sich des Ansturms nicht erwehren, will nicht
rassistisch sein und fremdenfeindlich, will den alten humanistischen Gedanken
hochhalten, für den man jahrhunderte lang kämpfte. Aber es ist gerade ein Teil
der jungen Generation der konträr reagiert, er sieht seine Sicherheit, seinen
Wohlstand und seine Nationalität in Gefahr. Politische Führer die diese Lieder
singen haben starken Zulauf.
Dabei wird ganz vergessen, dass
andere große Nationen längst ihre Grenzen dicht gemacht haben, kein Immigrant
wird ungewollt in Australien, Japan oder China aufgenommen. Das Problem hat
heute Europa, das den Traum eines offenen Mehrvölkerstaates leben wollte und
glaubte, dass darin die Zukunft liege. Wenn dem tatsächlich so wäre, dann muss
dieses Ziel oder dieser Traum zumindest weit in die Zukunft verschoben werden,
denn die junge Generation, der nun eben die Zukunft gehört, entwickelt sich
erstaunlich konservativ und holt die alten Werte wieder aus der Mottenkiste.
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