Eigentlich
glaubte ich das Land zu verstehen. Lebe seit 40 Jahren hier, arbeitete viele
Jahre im Außenhandel, seit 22 Jahren als Journalist und seit 12 Jahren als
Historiker, habe das Land von Süden bis Norden bereist, mit Menschen aller
Schichten gesprochen und teilweise zusammen gelebt, aber derzeit kommt es mir
mal wieder vor als lebe ich in einem fremden Land. Wer regiert hier eigentlich?
Der Präsident, der als solcher nicht gewählt wurde, mit seinen ständig
wechselnden Ministern, deren Namen kaum mehr jemand kennt, der Kongress der
sich einesteils selbst zerfleischt und andererseits völlig unberechenbar ist,
da 35 Parteien nie zu einer Einigkeit finden und Mehrheit erhält wer bessere
Versprechen und Geschenke macht. Die Justiz, die eigentlich für Sauberkeit im
Umgang mit den Gesetzen sorgen sollte, aber sich mehr und mehr politisiert und sich
ihre Beweise bei zweifelhaften politischen oder Wirtschaftsführern holt, die
dafür fast straffrei ausgehen?
Es ist recht
schwierig derzeit das Land zu verstehen. Das mag auch der Grund sein, weshalb
das Volk erstaunlicherweise recht still hält und es kaum zu
Massendemonstrationen oder Streiks kommt, auch diese werden sehr verhalten und
oft nur pflichtbewusst durchgeführt, weil die unzählbaren Gewerkschaften sie
dazu drängen. Diese widerum verhalten sich recht ruhig, erhalten sie doch ihre
Gelder aus der Staatskasse, die dafür jedem Arbeiter und Angestellten einen
Tageslohn pro Jahr aus der Tasche zieht. Gegenleistung? Keine.
Dies alles
zeigt daraufhin, dass es sich um ein morbides Staatssystem handelt, das
eigentlich nur durch den Konsum von 200 Millionen Menschen zusammengehalten
wird. Da diese täglich versorgt werden müssen und die Meisten auch pünktlich
ihre Rechnungen bezahlen ist jedenfalls garantiert, dass die Mehrheit mit Strom
versorgt wird, das Wasser noch fließt, die Supermärkte gut bestückt sind, dass
Zapfsäulen noch Sprit abgeben und die Ampeln noch funktionieren. Ja dass selbst
noch regelmäßig Fussball im Land
gespielt wird und die Zuschauer sogar mit öffentlichen Verkehrsmitteln
rechtzeig zu den Stadien kommen.
Wenn man es
so sieht, ist doch alles in Ordnung. Sogar die Inflation ist auf ein
erträgliches Maß zurück geschraubt worden, die Verkehrstoten und Kriminalzahlen
haben auch nicht zugenommen, obwohl sie immer schon exorbitant hoch sind für
ein Land das eigentlich im Frieden lebt.
Im Prinzip
gibt es nur zwei negative Aspekte: mit 14 Millionen Arbeitslosen eine extrem
hohe Zahl, die neue Investitionen weitgehend verhindert, und eben die morbide
politische Führung, die so mit sich selbst beschäftigt ist, dass sie Volk und Land
vergisst. Wozu benötigt
man die dann noch?
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