Das ist dann auch wieder
Brasilien, zwei Stunden nach Wahlschluss, liegen die endgültigen Ergebnisse
bereits vor. Und das nicht nur in den großen Städten des Südens und Südostens, nein
in ganz Brasilien. Wenn man bedenkt, wie hochkompliziert und langwierig die
Wahlauszählungen in den USA noch immer sind, muss man der brasilianischen
Wahlstruktur ein großes Kompliment machen.
Nachdem bereits beim ersten
Wahlgang am 7. Oktober so wichtige Posten wie die der Präfekten von Porto
Alegre, Rio de Janeiro und Belo Horizonte vergeben wurden, ging es am Sonntag
um die Entscheidungen in allen Städten mit mehr als 200.000 Wählern, die im
ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit erreichten. Die Spannung stieg,
besonders natürlich in Städten wie São Paulo, Salvador , Curitiba, Fortaleza.
Aber auch in Florianópolis, Macapá, Rio Branco, Terezina und Vitoria gab es
knappe Ergebnisse. Ein Zeichen, dass die Demokratie in Brasilien recht gut
funktioniert, wird dadurch bestätigt, dass sich sechzehn Parteien die
Chefposten in größeren Städten teilen. Wobei es teilweise zu recht unterschiedliche
Wahlverbindungen kam. So trat in Belo Horizonte der Amtsinhaber, Márcio Lacerda
von der PSB, einer Partei die sich in Brasilia durchaus zur Regierungskoalition
zählt, gegen die PT-Kandidaten Patrus Ananias an und wurde von dem führenden
Oppositionspolitiker Aecio Neves unterstützt. Noch dramatischer ging es in
Fortaleza zu. Auch dort stellte die PSB ihren Kandidaten, Roberto Cláudio,
direkt gegen den PT- Vertreter Elmano Freitas auf. Ersterer gewann, trotz massivem
Einsatz der Bundespartei PT mit Ex-Präsident Lula und Präsidentin Dilma an der
Spitze. In Recife gelang dem Juniorpartner dieses Ergebnis bereits im ersten
Wahlgang mit der Wahl von Geraldo Júlio. Damit zeigte im Hintergrund der
Gouverneur von Pernambuco, Eduardo Campos, seine regionale Macht und sicherlich
auch seinen Anspruch auf höhere Weihen, vielleicht schon 2014, aber ganz sicher
im Jahr 2018.
Nun, in São Paulo fand sicher
einer der interessantesten Wahlkämpfe statt. Ein Modellfall für Politikwissenschaftler.
Zu Beginn des Jahres gab es wenige, die daran zweifelten, dass der ehemalige
Bürgermeister und Ex-Gouverneur José Serra diesen für seine Partei PSDB so
wichtigen Position wieder erobern würde. Er lag bereits bei den ersten Umfragen
mit guten 30 bis 35 Prozent in Front. Allmählich tauchte zwar ein
Alternativkandidat mit dem Celso Russomano auf, der dem Spitzenreiter immer
näher kam, doch der Vertreter der Arbeiterpartei PT, Fernando Haddad, den
Ex-Präsident Lula mit feinem Gespür ausgesucht hatte, hielt sich lange Zeit mit
weniger als 10 Prozent der Wahlintentionen am unteren Rande. Kritische
Beobachter sahen jedoch bereits recht früh die dunklen Wolken über José Serra
schweben: die hohe Rejektionsrate, sie betrug bis zu 40 Prozent. Es kam dann
recht überraschend, dass sich von Woche zu Woche die Umfrageergebnisse
veränderten, einmal lag Russomano mit 35 Prozent weit vorne, und man erwartete
schon einen Zweikampf mit José Serra, doch am 6. Oktober lagen alle drei
Kandidaten nahezu gleich auf, und der Vertreter der schwächsten Partei,
Russomano, fiel durch das Raster. Obwohl er sich dann für den zweiten Wahlgang
als neural erklärte, fiel wohl doch eine großer Teil seiner Stimmen dem
PT-Kandidaten Haddad zu.
Für den neutralen Beobachter ist
es einfach faszinierend, zu sehen, mit welch treffsicherer Strategie die
Wahlabsicht von Lula und seiner Parteimaschine aufging. Zwar ist Fernando
Haddad weit davon entfernt, als glorreicher Sieger gefeiert zu werden, denn
immerhin gab es trotz Wahlpflicht etwa 30 Prozent Nichtwähler oder ungültige
Stimmen. Dies kommt schon einem Protestverhalten gleich. Aber eines muss man
anerkennen: Parteien sind in Brasilien anders als in vielen Ländern keine
ideologisch oder gesellschaftlich ausgerichtete markante Institutionen - mit
Ausnahme der Arbeiterpartei PT. Aber gerade dies zeichnet sie aus. Aufgrund
ihrer inneren Struktur, ihrer Geschlossenheit und mittlerweile auch Planung und Weitsichtigkeit, kann sie auch weiterhin
mit Zuwachs im Lande rechnen, während sich andere Parteien mehr und mehr
zersplittern. Vier erfolgreiche Jahre von Fernando Haddad in São Paulo können
ihn durchaus für höhere Weihen bereitmachen, immerhin ist er erst 49 Jahre alt.
Neben dieser interessanten
Entwicklung, darf man gespannt sein, ob es der PSB mit ihren Stammwählern im
Nordosten gelingen wird, sich nach Süden kräftiger auszudehnen. Die PSDB aber
als noch führende Oppositionspartei bedarf dringend, wie es bereits
Ex-Präsident Fernando Henrique Cardoso ausdrückte, einer Erneuerung, wenn sie
nicht das gleiche Schicksal wie die Liberalen, der ehemaligen PFL und späteren
Demokraten erleiden will.
Brasiliens politische Landschaft
bleibt in Bewegung.
Nenhum comentário:
Postar um comentário